Von: Franz H. Eschbach 
Datum: 03.08.02 10:08:09
Betreff: Fax an DER SONNTAG

Redaktion DER Sonntag
z.H. von Frau Borchardt-Wenzel

Hallo, Frau Borchardt-Wenzel,

vielen Dank für Ihr Schreiben bzgl. meines in den BNN vom 1.8. veröffentlichten Leserbriefes, der - wie Sie richtig bemerkt haben - von mir als Widerlegung der im letzten "Aufgefallen"-Kommentar von Herrn Winkel verbreiteten Ansicht verfaßt wurde. Die Nichtveröffentlichung im SONNTAG ist meinerseits nicht zu beanstanden.

So erfreut ich einerseits bin, von Ihnen zu erfahren, daß auch im SONNTAG Leserbriefe veröffentlicht werden können, so sehr bedaure ich, seit einigen Wochen feststellen zu müssen, daß gerade die Redaktion des SONNTAG aufgrund der meist extrem einseitigen Darstellungen zugunsten der jeweiligen Vorstellungen des OB in Sachen U-Strab - gepaart mit haltlosen Diffamierungen seiner Widersacher - KEINERLEI Bemühen um Objektivität erkennen läßt.

Eine Charakterisierung dieses Verhaltens z.B. durch "unkritische Haltung" wäre noch eine Schmeichelei, weshalb ich es - m.E. treffender - als "Journalismus auf Karla-Niveau" klassifiziere; als ob die KarlsruherInnen durch die U-Strab-Artikel in der STADTZEITUNG nicht bereits genug davon hätten.

Ihre Redaktion mag nachvollziehbare Motive dafür haben - für ehrenwert halte ich sie jedoch nicht. Glücklicherweise gibt es in Karlsruhe - sogar in Ihrem Hause - noch einige Beispiele für anspruchsvollen Journalismus.

Es würde Ihnen - zumindest in der Augen einer kritischen Leserschaft - zur Ehre gereichen (gewissermaßen, um die bereits verlorengegangene teilweise wieder zu erlangen), wenn Ihre Redaktion wenigstens ein EINZIGES Mal Diejenigen unzensiert und unverfälscht zu Wort kommen ließe, die die U-Strab-Pläne des OB und einer Mehrheit des Gemeinderats mit guten Gründen ablehnen und auf Alternativen hinweisen. Doch nach meiner Einschätzung ist dazu der Schatten, der auf Sie gefallen ist, zu groß als daß Sie ihn ohne Risiko überspringen könnten.

Ihre Redaktion als Gesamtes kapitulierte nach meiner Beobachtung vor der Medien-Gleichschaltungsabsicht des OB in anpasserischer Weise: ja nichts Anderes veröffentlichen als das, was seinen Plänen zu dienen scheint. Daß hinter der Gleichschaltung von Medien i.d.R. keine gute Absicht steht und sie dementsprechend zu keinem guten Ergebnis führt, sollte innerhalb der Grenzen Ihrer Vorstellungskraft liegen und es ist umso tragischer, wenn Sie solche Erkenntnis ignorieren (müssen).

Falls Sie - wider Erwarten - an einer Information über andere Vorstellungen als die des OB interessiert wären, könnte ich sie Ihnen verschaffen, bzw. ein Gespräch mit Sachkundigen vermitteln. Wenn Ihnen jedoch der direkte Kontakt mit Tunnel-Gegnern zu unangenehm oder zu kompromittierend erscheint, so können Sie - evtl. diskret - über die Internetseite "stoppt-den-stadtbahntunnel.de" Zugang zu mehr Fakten und Hintergrundinformationen erlangen, als Ihnen der OB und seine meist befangenen Untergebenen anzubieten je in der Lage oder bereit sein werden. Dadurch könnte sich Ihre Redaktion evtl. zukünftige Blamagen ersparen.

Um es zum Schluß ganz deutlich auszusprechen: ich halte Ihrer Redaktion vor, daß sie durch ihr unkritisches, einseitiges Engagement für die Pläne eines m.E. in der Sache Inkompetenten dazu beitragen, daß evtl. enorme Summen an Steuergeldern für etwas Unnötiges und Ungeeignetes verschleudert werden und dadurch aufs Neue etwas Notwendiges und für die zukünftige Entwicklung der Stadt Nützliches versäumt wird: der große, auch rehablitierende Kriegsstraßenumbau, ergänzt durch zusätzliche Rampen zur Schaffung weiterer leistungsfähiger Verbindungen zwischen Straßenbahn- und DB-Netz. Nicht nur das: Sie beschädigen durch Ihre Kumpanei die Demokratie, in dem Sie es versäumen, bei einer der sehr seltenen Gelegenheiten der direkten Entscheidung des Souverän, zur möglichst vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung einen Beitrag zu leisten, die Voraussetzung für eine sachgerechte Entscheidung ist. Eine nur zahlenmäßig große Beteiligung hingegen ist nicht ausreichend.

Mit freundlichem Gruß,

F.H.Eschbach

Jasminweg 13 D-76149 Karlsruhe